Ein Mädchen kommt mit einem Gendefekt zur Welt. Aber es lässt sich nicht aufhalten, lernt Laufen und Schreiben. Wichtige Wegbegleiter in seinem Alltag sind zwei iPads – ein kleines, handliches für die ständige Kommunikation und ein grosses als Hilfsmittel in der Schule. Lois lernt mit Lust – und Computern.
Lois lässt nicht locker. Sie hört ein Wort und versucht, es lautsprachlich zu buchstabieren. «Tisch», sagt die Mutter, und Lois legt los: «T, I, S, C, H.» Corinne Wicker nickt anerkennend, die Tochter ist zufrieden. Aber genug hat sie noch lange nicht, ihre Energie ist bemerkenswert. Das neunjährige Mädchen leidet an einem seltenen Gendefekt. Die erste Prognose der Ärzt/innen: Lois werde weder laufen noch reden können. Die Eltern sagen sich: «Wenn sich Chancen bieten, etwas verbessern zu können, wollen wir sie packen.» Ihr Optimismus zahlt sich aus.
Schulzeit am Heilpädagogischen Zentrum Ausserschwyz
Kurz vor ihrem vierten Geburtstag macht Lois ihre ersten Schritte im Gehen. In der Logopädie kommt sie erstmals in Berührung mit einem Sprachcomputer und lernt die Gebärdensprache. Lois geht am Heilpädagogischen Zentrum Ausserschwyz (HZA) in Freienbach zuerst in den Kindergarten und danach in die Tagesschule. Sechs Kinder werden in ihrer Klasse unterrichtet, eine Lehrerin und zwei Betreuerinnen kümmern sich um die kleine Gruppe.
Auf dem iPad rund 5000 Wörter gespeichert
Ein ständiger Begleiter für unterwegs und daheim ist ein kleines iPad. Es dient ihr dazu, Kommunikationsbarrieren zu überwinden und Gedanken zu formulieren. Rund 5000 Wörter sind aktuell auf dem Gerät gespeichert, und Lois hat zwei Suchoptionen: Sie kann den Anfangsbuchstaben eintippen und erhält eine lange Liste zur Auswahl. Oder sie sucht unter «Kategorie» in einer der Wortlisten. «Ich habe Hunger» findet sich etwa unter «Kommentare». Versehen sind die Wörter zudem mit Piktogrammen oder Fotos. Betreuungspersonen können den Wortschatz beliebig aufstocken. Lois ist beispielsweise begeistert von der Fasnacht. Also kann sie ganz viele Ausdrücke aus diesem Themenbereich abrufen.
Tablets und Software sind Hilfsmittel der Unterstützten Kommunikation
Susanna Berner von Active Communication ist die Beraterin für dieses Kommunikationsgerät und sagt: «Unser grösstes Anliegen ist es, dass Lois es so selbstständig wie möglich und spontan einsetzen kann, um möglichst frei zu kommunizieren.»
Für die Lektionen in der Schule steht ihr ein zweites iPad zur Verfügung, eines der siebten Generation mit vielen Möglichkeiten. Dank der Software «Schreiben DE» zum Beispiel kann Lois schreiben, sei es mit der Tastatur oder dem Apple-Stift. Ausserdem kann sie auf dem iPad zeichnen, mit unterschiedlich dicken Stiften und verschiedenen Farben. Die Zeichnungen und auch Fotos kann sie einfach zum Text hinzufügen. Wenn sie hören will, was sie eben geschrieben hat, lässt sie sich die Wörter vom Computer vorlesen.
Wichtig ist ihr das Tagebuch mit der App «NikiDiary»
Von Bedeutung ist auch das Programm «Snap Type Pro». Wenn Lois Arbeitsblätter in physischer Form erhält, kann sie diese fotografieren. Das iPad erkennt, worum es sich handelt, und bringt das Papier gleich in die optimale digitale Form. Wenn Lois einen Lückentext vervollständigen soll, scannt sie das Dokument ein und bearbeitet es danach. Auch hier hat sie die Option, die Tastatur zu benutzen, oder sie macht es handschriftlich.
Sie zeigt spürbar Lust darauf, sich immer mehr und besser mitzuteilen. Inzwischen kann sie ihren eigenen Namen von Hand schreiben – mit dem iPad ist das ohnehin kein Problem. Grossen Wert legt Lois auf ihr Tagebuch, das sie dank der App «NikiDiary» auf ihrem iPad 7 führt. Sie tut das sehr gewissenhaft und kann so aus ihrem Alltag erzählen.
Humor in der Therapie
Susanne Bauert hat die Entwicklung von Lois in den vergangenen Jahren nahe miterlebt und mitgefördert. Am HZA kümmert sich die Ergotherapeutin unter anderem um fein- und grafomotorische Fähigkeiten der Kinder. Durch ihren Hintergrund als Koordinatorin für Unterstützte Kommunikation an der Schule ist es ihr ein Anliegen, dass Lois lernt, zu kommunizieren oder Sätze zu bilden. Dabei hilft ihr der Sprachcomputer oder das iPad 7. «Lois macht ihre Sache ausgezeichnet», sagt Susanne Bauert, «sprachlich entwickelt sie sich sehr gut.» Und: «Wir lachen ganz viel zusammen. Humor hat bei uns in den Lektionen immer Platz, das Lernen fällt dadurch leichter.»
Lois lebt im Hier und Jetzt. Die Zukunft kann warten. Ihre Mutter hingegen macht sich «tausend Gedanken»: Was wird aus ihrer Tochter? Wie wird es ihr in ein paar Jahren gehen? Es bleibt ein Rätsel, das weiss sie. Darum sagt sie sich: «Sie soll einfach ein möglichst schönes Leben haben.» Und sieht ein Mädchen, das Hoffnung macht. Mit ihrem unbändigen Ehrgeiz hat es schon viel Erstaunliches bewerkstelligt – und sorgt mit seiner Energie und seiner positiven Einstellung hoffentlich noch für manche schöne Überraschung.
Für mehr Selbstbestimmung und Partizipation
Active Communication mit Sitz in Steinhausen ZG ist eine Tochtergesellschaft der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Als führende Anbieterin von Digitalen Assistiven Technologien sorgt Active Communication für mehr Selbstbestimmung und Partizipation und leistet damit einen Beitrag für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Active Communication bietet massgeschneiderte Lösungen in den Bereichen Kommunikationshilfen, Computer- und Arbeitsplatzanpassungen sowie Umfeldsteuerungen.
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Quelle: Exma INFO 3/2021
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