«Das Leben ist zu schön, um aufzugeben»

Was nach ihrer COVID-19-Erkrankung passierte, stellte Andrea Dicks Welt auf den Kopf. Passé war das aktive Leben. Eine stark ausgeprägte Fatigue und zunehmende Mobilitätseinschränkungen beherrschten ihren Alltag. Mithilfe eines starken Willens, der Kraft ihres Umfelds und der SAHB findet sie Wege, ihre Selbstständigkeit zurückzugewinnen.

Bis ins Jahr 2020 stand Andrea Dick, gelernte Elektronikerin und spätere Gerätemonteurin bei Roche Schweiz, mit beiden Beinen fest im Leben. Gemeinsam mit ihrem Partner war ein aktives Leben Programm. Ob Skifahren, Wandern oder Camping mit ihrem Dachzelt – die beiden waren oft und gern unterwegs. Ab dem 22. Oktober 2020 änderte sich alles: Andrea Dick erkrankte an COVID-19. Erst schien es, als hätte sie die Infektion überstanden. Daraus entwickelte sich jedoch ein Superinfekt und ein schwerer Fall von Long Covid. Für Andrea Dick begann eine Zeit voller Herausforderungen, denn ihre körperlichen Fähigkeiten liessen nach.

Ein Leben im Wandel

Schon kurz nach der Infektion spürte Andrea Dick, dass etwas nicht stimmte. Die Diagnose Long Covid erhielt sie nach intensiven Abklärungen, doch viele Symptome passten nicht vollständig ins Bild. Zu Andrea Dicks Beschwerden zählten funktionelle neurologische Störungen, Fatigue, Schlafprobleme und zunehmende Mobilitätseinschränkungen. Zunächst konnte sie mit Wanderstöcken noch einige Hundert Meter laufen. Nach einem erneuten Schub im Dezember 2023 verschlechterten sich ihre körperlichen Fähigkeiten weiter. Sie benötigte einen Rollator. Mit jedem weiteren Rückschlag wurden die Wege, die sie zurücklegen konnte, kürzer. Heute geht die 39-Jährige nur noch wenige Schritte eigenständig, Treppen zu steigen schafft sie nicht mehr.

Als wäre das nicht genug, folgte im Sommer 2024 der nächste Rückschlag. Andrea Dick hatte erneut COVID-19 und erlitt nach einer Darmbiopsie eine schwere Blutvergiftung. Erneut standen für sie eine lange Zeit im Spital und Rehaaufenthalte an. Mehr denn je ist sie seither auf Hilfsmittel angewiesen.

Hilfsmittel für mehr Selbstständigkeit

Mit Unterstützung der SAHB erhielt Andrea Dick nach dem Rollator einen Adaptivrollstuhl mit dem elektrischen Zusatzantrieb E-Motion. Bei dem Produkt sind die Elektromotoren in die Radnaben integriert. Die Hilfsmittel stammen aus dem IV-Depot der SAHB und waren schnell revidiert und einsatzbereit. Für Andrea Dick eröffneten sich neue Möglichkeiten: «Ich wollte nie im Rollstuhl geschoben werden, der E-Motion erleichtert meinen Alltag enorm», erzählt sie.

Auch plante die SAHB, die Wohnung barrierefrei umzugestalten, damit Andrea Dick so selbstständig wie möglich leben kann. Die SAHB holte unter anderem für einen Treppenlift eine Offerte ein. «Mein Berater von der SAHB zeigte mir meine neue Selbstständigkeit wie eine Vision auf, ich konnte es mir richtig vorstellen – es war wie ein Traum», erinnert sie sich.

Nebst den praktischen Anpassungen steht der SAHB-Berater Andrea Dick auch mental zur Seite. Er hat sie darin bestärkt, ein Hilfsmittel im besten Fall nur für eine begrenzte Zeit zu nutzen und davon zu profitieren, anstatt ganz darauf zu verzichten. «Es hat mir sehr geholfen, die Hilfsmittel anzunehmen und die Veränderungen in meinem Leben besser zu akzeptieren », führt sie weiter aus. Immerhin: Seit Dezember 2024 steht eine Diagnose im Raum.

Diagnose führt zu Akzeptanz

Nach dem langen Weg der Unklarheit hat Andrea Dick wahrscheinlich einen Namen für ihre Erkrankung: das Ehlers- Danlos-Syndrom (EDS), siehe Kasten. Das ist eine genetische Bindegewebestörung und könnte viele der Symptome erklären. Rückblickend zeigt sich, dass Anzeichen für EDS bereits seit Andrea Dicks Kindheit bestehen. Jedoch brachten erst die COVID-19-Erkrankung und die Schübe die Symptome zum Ausbruch. Dank der Diagnose fällt es Andrea Dick leichter, ihre Situation zu akzeptieren und die notwendige Hilfe anzunehmen. Lange hoffte sie, dass sich ihr Zustand bessern würde. «Jetzt weiss ich, dass es wichtig ist, mit der Krankheit zu leben, statt dagegen zu kämpfen», erzählt sie.

Trotz aller Einschränkungen hat Andrea Dick Ziele vor Augen. Sie möchte wieder arbeiten. Zurzeit sind die Fatigue und die Schmerzen zu stark ausgeprägt, daher ist dies im Moment nicht möglich. Ihre Zuversicht ist jedoch ungebrochen, dass es Schritt für Schritt vorwärtsgeht. «Es braucht Zeit, aber ich bin sicher, irgendwann wieder mehr machen zu können», so Andrea Dick. Sie träumt davon, mit ihrem langjährigen Partner nach Australien zu reisen – trotz aller Herausforderungen, die ein solches Abenteuer mit Rollstuhl mit sich bringt. Für das kommende Jahr plant das Paar einen Urlaub in Europa. «Manchmal muss man Dinge einfach ausprobieren. Es geht immer irgendwie», sagt sie mit einem Lächeln.

Das Leben neu denken – und geniessen

Neben der praktischen Hilfe durch die SAHB spielt ihr Umfeld eine grosse Rolle. Ein Fels in der Brandung ist ihr Partner, der ihr zur Seite steht. «Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Partner einen so unterstützt. Ich bewundere ihn sehr dafür », erzählt sie. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen, etwa im Verein für MS-Kranke, gibt ihr Kraft und Zuversicht. Sie wurde im Verein aufgenommen, da es in ihrem spezifischen Fall Parallelen zu MS gibt. Sie sagt: «Das Leben ist zu schön, um aufzugeben. Manchmal muss man sich nur umorganisieren.» Auch aus ihrer regelmässigen Psychotherapie schöpft sie Kraft. «Die Therapie hilft mir, die Situation anzunehmen und das Positive im Leben wieder klarer zu sehen», so Andrea Dick.

Um bei schweren Schicksalsschlägen neue Perspektiven zu finden, sind die richtige Unterstützung und ein starkes Umfeld enorm wichtig. Und dank der Beratung der SAHB und der Hilfsmittel gestaltet Andrea Dick ihren Alltag wieder selbstbestimmt.

Von Sara Affolter 10.06.2025 Keine Kommentare

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