Ein Paar, beide im Rollstuhl, viele Hindernisse und eine bemerkenswerte Lebensfreude. Gabrielle und Bernhard Rüdisüli sind mit Cerebralparese geboren. Elektrische Türen, ein umgebautes Auto und ein umgebauter Wohnwagen sowie eigene kreative Lösungen erleichtern ihnen den Alltag.
Wer die Rüdisülis besucht, dem öffnen sich die Haus- und die Wohnungstür automatisch. Gabrielle und Bernhard Rüdisüli wurden beide mit Cerebralparese geboren, was ihr Leben von Anfang an mit besonderen Herausforderungen füllte. Zusätzlich bereitet eine Spinalkanalstenose Gabrielle Rüdisüli täglich starke Schmerzen. Trotz allem strahlt das Ehepaar eine bemerkenswerte Lebensfreude und Entschlossenheit aus.
Die Krux mit den Türen
Seit dem Jahr 1988 benutzt Bernhard Rüdisüli einen Rollstuhl. Er hat gelernt, die Haustür trotz des begrenzten Platzes für den Rollstuhl selbst zu öffnen und zu schließen. Wollte er früher mit dem Handrollstuhl zum Briefkasten, fuhr er an die Tür heran, zog sie rückwärts nach innen auf und fixierte sie mit einem Haken an der Wand, damit sie offen blieb. Um die Tür von außen zu öffnen, musste er sie aufschließen, ihr einen kräftigen Stoß geben und schnell mit den Vorderrädern des Rollstuhls über die Schwelle fahren. War er mit dem Swiss-Trac unterwegs, musste er zuerst die Wohnungstür öffnen, zur Haustür fahren, diese öffnen und einhängen, um den Swiss-Trac anzuhängen. Beim Hinausfahren schloss er die Wohnungstür hinter sich ab und ließ die Haustür ins Schloss fallen. Das Hereinkommen war noch komplizierter. Er musste die Haustür mit Schwung öffnen und rückwärts hineinfahren, bevor sie wieder schloss, danach hinter sich die Wohnungstür aufschließen. Auch wenn diese Routine umständlich war, hatte Bernhard Rüdisüli nach wie vor die Kraft dazu. Seine Frau hatte zunehmend Schwierigkeiten, diese Manöver auszuführen, und musste oft warten, bis ihr Mann ihr die Türen geöffnet hatte.
Der automatische Türöffner: ein Symbol für Unabhängigkeit
Eine Mitarbeiterin der IV, zuständig für Unterstützungsbeiträge, besuchte Gabrielle Rüdisüli im Jahr 2021. «Sie empfahl mir, vor der Pensionierung ein Gesuch für eine automatische Haustür zu stellen», so Gabrielle Rüdisüli. Danach würde dies nicht mehr finanziert. Das Ehepaar reichte das Gesuch bei der IV ein, die es an die SAHB weiterleitete. Diese stellte fest, dass auch die Wohnungstür schwierig zu handhaben war.
Die SAHB schlug daher vor, das Gesuch um eine automatische Wohnungstür sowie je eine Rampe für die 2,5 cm hohe Schwelle der Wohnungstür und den Balkon zu erweitern. Die IV bewilligte das Gesuch, und die Arbeiten wurden schnell durchgeführt. «Wir hatten Glück, dass uns die IV-Mitarbeiterin auf die Frist hinwies und die SAHB eine erweiterte Lösung vorschlug», sagt Gabrielle Rüdisüli. Nun kommt das Paar problemlos ins Haus und in die Wohnung – und wieder raus. Bernhard Rüdisüli ergänzt: «Die neue Zugangssituation erhöht unsere Lebensqualität enorm.» Die beiden sind gerne unterwegs und finden kreative Lösungen für Hindernisse. Auch wenn es sie in die Ferne zieht, findet das Paar Lösungen – es reist leidenschaftlich gern.
Reiselust ohne Grenzen
Dank Anpassungen an ihrem Wohnwagen reisen sie selbstständig. «Ein kleiner Lift erleichtert mir den Einstieg in den Wohnwagen», erzählt der 71-Jährige. Im Inneren bewegt er sich auf einem Hocker fort. Mit dem Wohnwagen haben sie zahlreiche Abenteuer erlebt – von Meran über Salzburg bis nach Tschechien und zurück. Sie bereisten weite Teile Deutschlands, die Ostsee bis nach Holland, Elba, die Atlantikküste und viele andere Orte in Europa. Besonders in Ostdeutschland fanden sie bereits in den frühen 1990er-Jahren eine bemerkenswerte Offenheit und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen – ein Relikt aus DDR-Zeiten. Ihre Reiselust führte sie bis in die USA, wo sie einen gemeinsamen Freund an der Ostküste besuchten. New York und Maine konnten sie mit einem gemieteten, speziell umgebauten Auto erkunden. Eine nächste Reise steht in den Startlöchern: Gabrielle Rüdisüli erfüllt sich einen Herzenswunsch und wird mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn nach Kopenhagen reisen.
Schließt sich eine Tür, öffnet sich eine neue
Bernhard Rüdisüli ist gelernter Maschinenkonstrukteur. Ein Beruf, der ihm viel Freude bereitete. Doch seine körperlichen Einschränkungen erschwerten ihm die Arbeit immer mehr. Schließlich konnte er nur noch Teilzeit arbeiten. Mit dem Rollstuhl kam auch eine neue Berufung. Er besuchte die Kunstschule F+F Farb und Form für experimentelle Gestaltung in Zürich. Dort spezialisierte er sich auf analoge Videotechnik und wurde technischer Betriebsleiter. Seine Arbeit in der Kunstschule war geprägt von Inklusion und Kreativität. «Viele Leute, die sonst keinen Platz für sich gefunden hatten trafen sich dort und fanden ihren Weg“, erinnert er sich. Diese Veränderung in seiner beruflichen Laufbahn war ein wichtiger Schritt für ihn. Er konnte seinen körperlichen Möglichkeiten entsprechend aktiv und engagiert bleiben. Von 2001 bis 2018 war er bei der Schweizer Fachstelle für hindernisfreie Architektur als Fachberater und Kursleiter tätig und gab sein Wissen und seine Erfahrungen an Klient/innen weiter.
Auch seine Frau blickt auf einen anpassungsreichen Berufsweg. Nach der Schule machte sie widerwillig eine zweijährige Bürolehre. «Im Büro ist es hektisch, und man muss schnell sein – das war ich noch nie», erzählt sie. Sie wollte mit Menschen arbeiten und fand über Beziehungen eine Institution für schwerstbehinderte Personen und arbeitete dort in der Tagesbetreuung. Erst arbeitete sie 80, später nach der Geburt ihrer Tochter 60 und schließlich 40 Prozent. Nach vielen Jahren folgte vom Arbeitgeber eine Vertragsänderung. Ihre IV-Beraterin riet ihr davon ab, diese anzunehmen. Es folgte noch eine Arbeit in einem Atelier mit kurzen Einsätzen. So kam es, dass Gabrielle Rüdisüli vor zwölf Jahren aus dem Berufsleben ausstieg.
Die gewonnene Zeit nutzt sie kreativ mit Malen und Gestalten, zudem ist sie oft mit ihrem Hund Nanook draußen. Die Rüdisülis beeindrucken durch ihren Mut, ihre Entschlossenheit und die Fähigkeit, trotz großer Herausforderungen ein erfülltes und aktives Leben zu führen. Der automatische Türöffner ist nur ein kleines, aber bedeutendes Symbol für die zahlreichen Barrieren, die sie erfolgreich überwunden haben.
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